STADTHAUS DOMAGKPARK, MÜNCHEN – SCHWABING NORD

Baugemeinschaft „Stadtgestalten Domagkpark“

Im Münchener Norden entsteht auf einem ehemaligen Kasernengelände der Funkkaserne das neue Stadtquartier „Domagkpark“. Gemäß dem Konzept der sozialgerechten Bodennutzung der Landeshauptstadt München wird besonders darauf geachtet, dass unterschiedliche Träger und Fördermodelle zum Zug kommen (z.B. sozialer und geförderter Wohnungsbau, Genossenschaften, Baugemeinschaften, frei finanzierter Wohnungsbau durch Bauträger und Wohnbaugesellschaften, Werkswohnungen).

Neben Wohnungen und Wohnfolgenutzungen (Schule, Kindertagesstätten, Haus für Kinder, Jugend und Familie, Einkaufszentrum) sollen im Quartier auch Nichtwohnnutzungen (z.B. Hotel, Büros, Kleingewerbe) integriert werden.

Im Vorfeld der Grundstücksvergabe wurde ein Konsortium gegründet, das zum Ziel hatte die künftigen sozialen Aktivitäten im Sinne einer Quartiersvernetzung zu strukturieren. Jeder der im Quartier ein Projekt verwirklichen wollte war aufgefordert, entsprechende Angebote zu entwickeln (z.B. Gemeinschafts- und Veranstaltungsräume, Ateliers, Werkstätten, Mobilitätskonzept, Läden, anmietbare Büros). Diese wurden in einem moderierten Prozess aufeinander abgestimmt, um von Anfang an ein sozial gemischtes und lebendiges Quartier zu schaffen, indem die späteren nachbarschaftlichen Aktivitäten Bestandteil der Konzept- und Planungsphase werden.

Der Städtebau hat sehr hohe stadträumliche Qualitäten und wurde bereits im Wettbewerb und in der Entwurfsphase einer solarenergetische Optimierung unterzogen. Dadurch wurde durch eine sorgfältige Stellung und Dachausbildung der Baukörper erreicht, damit trotz der hohen baulichen Dichte alle Wohnungen eine gute Besonnung aufweisen.

Das hier vorgestellte Projekt stellt eine Kooperation von zwei Baugemeinschaften auf einem Baugrundstück mit drei Punkthäusern dar. Neben den Wohngebäuden wurden eine Tiefgarage und die Freianlagen sowie Gemeinschaftsräume und Werkstatt gemeinsam errichtet. Gemäß dem Konzept der „strukturierten Partizipation“ waren die Bauherren intensiv in den gesamten Konzeptions-, Planungs- und Bauprozess eingebunden. Die individuelle Gestaltung der Wohnungen wurde in mehreren Workshops und Einzelgesprächen erarbeitet und in die Genehmigungs- und Ausführungsplanung umgesetzt.

Das Mehrfamilienhaus ist als Punkthaus mit einem zentralen Treppenhaus konzipiert und besitzt 14 Wohnungen sowie einen Gemeinschaftsraum im Dachgeschoss. Im Gestaltungsleitfaden, der den Bebauungsplan ergänzt, waren Loggien anstelle der üblichen Balkone vorgeschrieben. Hintergrund hierfür ist, dass das Gebäude direkt südlich an den Gehweg der Anliegerstraße angrenzt. Diesem Umstand wird ferner dadurch Rechnung getragen, dass das Erdgeschoss und die Freianlagen sowie Gärten als Hochparterre ausgebildet sind.

Während die Südfassade streng symmetrisch gestaltet ist, weisen alle anderen Fassaden frei angeordnete Öffnungen auf. Diese sind notwendig, um auf die Anforderungen der individuell entworfenen Wohnungen reagieren zu können.

Das Gebäude weist ein Staffeldach auf, das ebenfalls durch den Bebauungsplan vorgegeben war und einen nicht unerheblichen planerischen und baulichen Aufwand zur Folge hatte.

Die Wohngrundrisse entwickeln sich um den Treppenkern und weisen eine strenge Zonierung in Nebenraum- und Hauptwohnraumzone auf. Die Leitungsführung erfolgt in der Nebenraumzone in je getrennten Schächten für Lüftung, Sanitär, Heizung und Elektro. Alle Wohnungen haben eine oder zwei Loggien bzw. eine Dachterrasse als wohnungsbezogenen Freiraum zugeordnet. Durch deren Lage an den Gebäudeecken haben sie häufig freie diagonale Sichtbeziehungen, die durch die städtebauliche Konzeption vorgegeben sind.

Das Punkthaus ist in sog. Holz-Hybrid- Bauweise konzipiert, d.h., die Tragkonstruktion besteht aus einem Stahlbeton-Skelettbau, während die nichttragende Fassade als Holzkonstruktion ausgeführt wurde. Von Vorteil ist diese Entscheidung vor allem aus Brandschutzsicht: Anstelle der bei Gebäudeklasse vier eigentlich vorgesehenen hochfeuerhemmenden Bauweise genügt bei nichttragenden Fassaden in Holzbauweise eine feuerhemmende Ausbildung der Konstruktion.

Die Außenwände sind als vorgefertigte Holzrahmenelemente mit einer beidseitigen Brandschutzbeplankung aus Gipsfaserplatten versehen. Damit war es möglich, auch anspruchsvolle Detailbildungen (z.B. in die Fassade integrierter Sonnenschutz) prinzipientreu umzusetzen. Die Dämmung der Gefache erfolgte mit Zellulosedämmung, die Vorteile im Hinblick auf den Feuchteschutz (sorptiver Dämmstoff) und das Sommerklimaverhalten aufweist.

Für das Projekt wurde neben dem Brandschutznachweis zusätzlich ein individuelles Brandschutzkonzept ausgearbeitet, in dem alle wesentlichen Konstruktionen und Anschlüsse im Kontext des Entwurfs, der Werkplanung und der Baustoffwahl beurteilt und freigegeben wurden. Dadurch war es möglich ein hohes Maß an Planungssicherheit zu erreichen, weil zum Zeitpunkt der Planung alle Prüfzeugnisse von feuerhemmenden Wandkonstruktionen in Holzbauweise ausgelaufen waren und unklar war, ob diese noch rechtzeitig hätten erneuert werden können.

Die Außenbekleidung ist als hinterlüftete Konstruktion mit Fassadenschutzbahn, Lattung und Faserzementplatten ausgeführt. Aus brandschutztechnischen und gestalterischen Gründen sind in jedem Geschoss Brandsperren aus Stahlblech vorgesehen. Innenseitig ist eine Installationsebene mit Dämmung aus Steinwolle und zweilagiger Gipskartonbeplankung aufgebracht. Diese dient neben der Installationsführung auch dem Außenschallschutz und dem Brandschutz speziell in der kritischen Fuge im Deckenbereich. Die Fugen sind vollwandig mit Mineralwolle ausgestopft und werden mit Gipsfaserstreifen gegen Brandeintritt geschützt. Es hat sich gezeigt, dass die Festlegung der Fugenbreite mit 4 cm gerade ausreichend war, um die Bautoleranzen des Stahlbetonbaukörpers auszugleichen.

Auf dem Gelände existierte als Zwischennutzung Europas größte Künstlerkolonie. Im Zuge eines kontroversen Planungs- und Abstimmungsprozesses konnte wenigstens erreicht werden, dass etwa 100 Ateliers im Künstlerhof erhalten bleiben. Um einen Bezug zum Künstlerhof herzustellen, wurde für die Gestaltung des Treppenhauses die Künstlerin Hauchun Kwong beauftragt.

Gemeinsam mit den Architekten wurde zunächst eine übergeordnetes Gestaltungskonzept entwickelt. Das Kunstwerk sollte einerseits zurückhaltend aber doch präsent sein. Im Sinne einer „Partitur“ erfasst es das gesamte Treppenhaus. Als Materialien wurden Beton und Holz die Hauptbaustoffe des Bauwerks gewählt. Die konkrete Umsetzung erfolgte in mehreren Betonreliefs, die im Zuge des Baufortschritts in Ortbeton ausgeführt wurden. Das Kunstwerk „Walking Forest“ basiert auf dem Thema der Freiheit und der Bewegung und damit auf Schillers Konzept der „ästhetischen Erziehung des Menschen“.

Auch die Farbgestaltung wurde gemeinsam mit Hauchun Kwong entwickelt und basiert auf Holz-Ocker-Goldtönen und nimmt damit Bezug auf die Farbtöne der Fassade und des Gebäudesockels.

Im Kaufvertrag mit der Landeshauptstadt München wurde ein Anschluss an die Fernwärme der Stadtwerke vorgegeben. Damit wurden auch sämtliche alternativen Wärmeversorgungen (z.B. Solarthermie, Wärmepumpen, direktlektrische Warmwasserbereitung) ausgeschlossen. Der Anschluss an das Gebäude erfolgt über eine Hausübergabestation und einen Pufferspeicher aus dem die Warmwasserstationen in den Wohnungen bedient werden.

Das Gebäude besitzt eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung über einen Rotations-Wärmetauscher. Die Anforderungen an den Brandschutz wurden über eine Rauchschutzklappe am Gerät und Brandschutzklappen in den Decken gewährleistet. Die individuelle Regelung der Luftmengen in den Wohnungen erfolgt über Volumenstromregler.

Das Gebäude erfüllt als zertifiziertes Passivhaus zugleich  mit Hilfe einer kleinen Photovoltaikanlage mit ca. 8 kWp  die Anforderungen an ein Nullenergiehaus (Jahresausgleich der Primärenergie für Heizen, Lüften, Hilfsstrom und Warmwasser) . Um eine höhere Eigennutzung zu erreichen ist später vorgesehen, eine Batterie zu ergänzen.

Siehe auch Eintrag in Passivhausdatenbank