ENERGIEAUTARKES HAUS, NÄHE BERG A. STARNBERGER SEE

Bauherr M. Schröferl

Dieses Experimentalhaus wurde auf einem Restgrundstück im Innenbereich einer kleinen Ortschaft errichtet. Es stellt neben der Erfüllung der speziellen funktionalen Anforderungen ein „gebautes Statement“ dar, indem es einen radikalen Beitrag zur derzeitigen Debatte um künftige Energiestandards leistet. Diese wird derzeit mit neuer Heftigkeit geführt zumeist in Form einer Gegenüberstellung: Erneuerbare versus Effizienz. Hintergrund ist die EU-Gebäude-Effizienz-Richtlinie (EPBD), die unterschiedliche nationale Interpretationen ausdrücklich zulässt. Alle Neubauten sollen ab 2020 als „Nearly-Zero-Energy- Buildings“ ausgeführt werden, für öffentliche Gebäude wird dies bereits an 2018 gefordert. Die genaue Festlegung der nationalen Standards soll auf der Grundlage von Kostenoptimalitätsstudien erfolgen.

Die derzeitige Vielfalt von Gebäude-Energiestandards (EnEV, KfW-Effizienzhäuser, Niedrigenergie-, Passiv-, Aktiv-, Sonnenhaus sowie Null- und Plusenergiekonzepte) verdeckt häufig, dass sich hinter den zu widersprechen scheinenden Begriffen ähnliche Konzeptansätze verbergen. Leider findet diese Auseinandersetzung nicht in Form einer rationalen Kritik über Argumente und nachvollziehbare Untersuchungen statt, sondern eher emotional, z.B. in Form einer diskriminierenden öffentlichen Abwertung konkurrierender Konzepte. Die eigentliche Aufgabe, nämlich Gebäude zu konzipieren, die einen Beitrag zur Energiewende darstellen und diese befördern, gerät dabei leicht aus dem Blick.

Der Konzeptansatz besteht darin, das Gebäude ohne Netzanschluss autark zu versorgen. Dadurch treten die Bedingungen einer vollständig erneuerbaren Energieversorgung deutlich hervor, weil die ausgleichenden Effekte des Stromnetzes hier nicht zum Zuge kommen können. Dies trifft in besonderem Maße den Kernwinter, weil hier einerseits ein solares Erzeugungsdefizit auftritt und andererseits der Heizbedarf am höchsten ist. Diese „Winterlücke“ erfordert bei einem energieautarken Haus ein eigenständiges Zusatzsystem, weil in Zeiten der Unterversorgung Strom aus dem allgemeinen Netz nicht zur Verfügung steht.

Für den Bauherren stand von vorneherein fest, dass nur mit höchster Energieeffizienz überhaupt eine Chance auf eine autarke Versorgung besteht. Neben dem klassischen Passivhausansatz bei allen baulichen Komponenten (hoch wärmegedämmte, luftdichte Gebäudehülle, Passivhausfenster) wurde daher auf höchste Stromeffizienz geachtet und eine sehr effiziente Wärmeversorgung gewählt. Interessant war zu sehen, dass entsprechende Bau- und Technikkomponenten inzwischen als Standardprodukte zur Verfügung stehen und daher die Kosten für Lüftung und Wärmeversorgung nicht höher liegen als bei vergleichbaren Referenzprojekten.

Das Gebäude ist im Grunde ein Einfamilienhaus mit Mischnutzung. Neben den Wohnräumen weist es einen belichteten Keller mit Werkstatt auf. Der Bauherr entwickelt Velomobile und hocheffiziente Fahrradlampen und baut die Prototypen selbst. Um für den Keller eine gute Zugänglichkeit sicherzustellen wurde ein Zugang in Form einer Rampe geschaffen.

Das Haus weist eine asymmetrische Dachform auf, um einerseits die große Photovoltaikanlage komplett nach Süden ausrichten zu können und andererseits ein Dachgeschoss in Form eines Galeriegeschosses auszubilden. Obwohl es sich um ein kleines Haus handelt, besitzt es durch den zweigeschossigen Allraum eine gewisse Großzügigkeit. Alle sonstigen Raume sind mit knappen Dimensionen ausgebildet. Eine Besonderheit ist der erhöhte Balkon unter dem die oben erwähnte Rampe in den Keller führt. Die Sitzbank im Wohnzimmer ist zugleich Treppenpodest mit Zugang zum Balkon.

Der Keller ist als sehr gut gedämmte Stahlbetonkonstruktion ausgebildet. Die Bodenplatte ist als WU-Konstruktion ausgeführt, wobei die Oberfläche flügelgeglättet und diffusionsoffen versiegelt wurde. Auf einen weiteren Belag wurde verzichtet. Die Obergeschosse wurden in Holzrahmenbauweise mit besonders hohen Ständertiefen von 50 cm (Dach) und 40 cm (Außenwände) errichtet. Dies ist dem kleinen, wenig kompakten Baukörper (E+D, geringe Außenabmessungen) geschuldet. Aus Kostengründen wurde die Fassade mit einem textilen Behang aus hellgrauen Polyethylen versehen.

Das Photovoltaikdach bildet als „Energiedach“ eine gestalterische Einheit und ist als sehr gut hinterlüftete Konstruktion direkt auf der Dachkonstruktion befestigt. Hierzu wurde eine Distanzlattung auf der Dachabdichtung befestigt, die ebenfalls abgedichtet ist und damit die Befestigungspunkte aus der Entwässerungsebene hebt. Auf eine Hinterlüftung des Daches wurde in diesem Bereich verzichtet. Über Feuchtemessungen wird dieses Bauteil hinsichtlich des bauphysikalischen Verhaltens überwacht, auch um Kenntnisse über das Rücktrocknungsverhalten von hochwärmegedämmten Holzkonstruktionen mit einer Abdeckung aus PV-Modulen zu erhalten.

Das Norddach ist mit einer Ziegeldeckung und einem regensicheren Unterdach versehen und ist ähnlich wie das PV-Dach ausgebildet, um das „Energiedach“ gestalterisch sauber einzubinden.

Das Gebäude ist als Passivhaus konzipiert und weist daher einen sehr guten Wärmeschutz, wärmebrückenfreie und luftdichte Konstruktionen, gedämmte Fensterprofile mit 3-fach-Wärmeschutzverglasung sowie eine hocheffiziente Lüftungsanlage mit Erdreichwärmetauscher auf. Die Wärmeversorgung erfolgt über eine Direktverdampfer-Wärmepumpe, die als Quelle das Erdreich über einen horizontal verlegten Flächenabsorber nutzt. Wegen des kleinen Grundstücks standen hier nur kleine Flächen zur Verfügung. Die Heizung erfolgt über direkt in die Kellerdecke bzw. die Gussasphaltestriche eingebrachte Heizregister aus Kupferrohr. Die Besonderheit dieser Heizlösung besteht darin, dass hier nicht die übliche verlustreiche Wärmeübertragung auf einen wassergeführten Heizkreis erfolgt, sondern der Kondensationsprozess des Kältemittels direkt in den Baukonstruktionen bzw. im Warmwasserspeicher erfolgt. Letzterer weist eine sehr schlanke Bauform mit stabiler Wärmeschichtung auf. Auf eine Zirkulation wurde wegen der kurzen Leitungswege verzichtet. Die Elektroausstattung ist grundsätzlich sehr effizient gewählt (LED-Beleuchtung, besonders stromsparende Haushaltsgeräte, Vermeidung Stand-by-Verbräuche), jedoch werden in der Werkstatt einige stromintensive Geräte betrieben, z.B. Drehbank, Fräse, Sägen.

Der Bauherr hatte von Anfang an den Wunsch, dass sich das Haus so weit möglich selbst mit Energie versorgen soll. Anfangs war noch ein Netzanschluss vorgesehen, jedoch wurde mitten im Bauprozess entschieden, diesen nicht auszuführen, auch weil der Stromversorger gewisse Schwierigkeiten bei der Ausführung des Stromanschlusses machte. Das Versorgungskonzept basiert auf einer Photovoltaikanlage mit ca. 10 kWp Leistung. Im Keller ist eine Lithium-Ionen- Batterie mit 20 kWh Kapazität aufgestellt. Der bei weitem spannendste Aspekt bei diesem Projket ist, dass das Problem der „Winterlücke“ in einem energieautarken Haus unmittelbar spürbar wird. Es fehlt ein Außensystem, das auch in Phasen der Unterversorgung Energie zur Verfügung stellt. Diese Phasen treten vor allem im Kernwinter auf. Sie sind durch kurze Tage mit niedrigen Außentemperaturen (Heizbedarf) und zusätzlich eine dicke Wolkendecke gekennzeichnet, die auch die diffuse Solarstrahlung stark abmindert. Diese Phasen können im Einzelfall auch einmal mehrere Wochen umfassen, bleiben aber in manchen Jahren gänzlich aus. Der Bauherr entwickelt derzeit für diese Zeiten ein Mikro-BHKW, das einen Modellflugzeugmotor (für Flüge zwischen Kontinenten, die besonders effizient konstruiert sind) mit einer elektrischen Leistung von 500 Watt als Antrieb verwendet. Es speist gleichzeitig Strom in die Batterie und Abwärme in einen extra für diesen Zweck installierten Heizkörper. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass der Energieaufwand für die Überbrückung der „Winterlücke“ aufgrund der hohen Effizienz des Gebäudes mit 0 – 3 kWh/(m2a) sehr gering ausfällt.

Siehe auch Eintrag in Passivhausdatenbank