STADTREIHENHÄUSER ACKERMANNBOGEN, MÜNCHEN – SCHWABING WEST

Baugemeinschaft „Stadtgestalten Schwabing“

Auf der Konversionsfläche der ehemaligen Waldmann-Stetten-Kaserne in München hat die Landeshauptstadt München in größerem Umfang Grundstücke an Baugemeinschaften und Genossenschaften vergeben. In einem dieser Projekte wurden acht Stadtreihenhäuser auf einem knapp geschnittenen innerstädtischen Grundstück realisiert. Aufgrund der geforderten hohen Dichte wurde ein dreigeschossiger Bautyp entwickelt, bei dem nur die Mindestfestlegungen fixiert wurden: Tragstruktur, Gebäudehülle, Steigstrang, Treppe. Im Sinne einer „strukturierten Partizipation“ werden damit Potentiale für individuelle Grundrissbildungen freigesetzt. In Workshops haben die künftigen Bewohnern ihre Wohnkonzepte anhand von Arbeitsmodellen entwickelt. Die Fassaden wurde hingegen einheitlich gestaltet, einerseits, um ein angemessenes städtisches Erscheinungsbild zu gewährleisten, andererseits, um die wirtschaftlichen Vorteile einer Vorfertigung nutzen zu können.

Die vorgegebene städtebauliche Anordnung einer Zeilenbebauung führte zu einem Zonierungskonzept, das auch die Freibereiche mit einbezieht: Durch Übergangszonen auf der Erschliessungs- sowie Gartenseite entstehen leicht erhöhte und räumlich gefasste Aufenthaltsbereiche: Eingangsterrasse und Windfang sowie Gartenterrasse und Balkon. Die Rhytmisierungen über die vorgestellten Elemente und die Materialwechsel in den Fassaden machen das einzelne Haus ablesbar. Der Gartenraum selbst weist keine Trennungen auf und wird gemeinschaftlich genutzt.

In den Grundrissen wird das Zonierungkonzept fortgeführt, indem eine Hauptzone mit Wohn-/Essen-/Küchenbereich bzw. Individualräumen und eine Nebenzone mit Treppe, Bädern und Fluren ausgebildet werden. Dadurch konnten die für Reihenhäuser ungünstigen unbelichteten Innenzonen vermieden werden. Alle Räume verfügen über öffenbare Fenster, die in den Übergangszeiten und im Sommer zur Querlüftung und somit auch für die Raumtemperierung genutzt werden. Der Hauptbaukörper weist eine einfache kubische Geometrie auf, dessen Hüllflächen hochwärmegedämmt und luftdicht ausgebildet sind. Im Kernwinter wird der hygienisch notwendige Luftwechsel über eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sichergestellt. Die Beheizung erfolgt im Mischkonzept sowohl über eine Vorerwärmung der Zuluft als auch über zusätzliche Heizflächen.

Die Windfänge und Balkone sind als vorgestellte, vom Hauptbaukörper unabhängige Konstruktionen ausgebildet. Die Windfänge werden nicht beheizt und sind nicht an die Lüftungsanlage angeschlossen. Sie wurden mittels offener Fugen gezielt nicht luftdicht ausgebildet, um ein gewisses Maß an freier Lüftung sicherzustellen. Die Praxiserfahrungen zeigen, dass zusätzlich die ausgeführten 2-fach-Wärmeschutzverglasungen in den Windfängen notwendig sind, um eine Kondensatbildung an kalten Wintertagen zu vermeiden. Der Keller ist vollständig in die thermische Hülle integriert, weil alle Häuser einen direkten Kellerzugang über die Innentreppen aufweisen und in den Kellern z.T. hochwertige Nutzungen vorgesehen wurden. Alle Kellerräume sind in den Luftaustausch der Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung eingebunden und werden mitbeheizt.

Wegen der geringen Abstände der Nachbarzeilen weist das Passivhaus eine ausgeprägte Verschattung auf. Die dadurch verminderten solaren Gewinne wirken sich spürbar in der Energiebilanz des Gebäudes aus und waren an anderer Stelle – z.B. Dachdämmung – auszugleichen.

Für die Stadtreihenhäuser wurde eine Mischkonstruktion gewählt, bei der alle tragenden Elemente aus Stahlbetonfertigteilen bestehen. Die Fassaden wurden hingegen als Rahmenwerke mit Holzstegträgern und Zellulosefaserdämmung gefertigt. Der Hintergrund für diese Entscheidung war u.a., dass im Grundstückskaufvertrag mit der Stadt München die Kosten abhängig von der realisierten Geschossfläche bestimmt wurden. Daher war es wirtschaftlich geboten, die Konstruktionsflächen der Fassaden möglichst gering zu halten. Die Passivhausanforderungen konnten über die Gefachedämmung der Holzrahmenwerke platzsparend ausgeführt werden. Eine sehr gute Wärmedämmung des Daches trägt zusätzlich dazu bei, die Dämmstärke der Aussenwände zu begrenzen. Das Flachdach wurde mit einer Außenentwässerung geplant. Eine Innenentwässerung hätte ein gedämmtes Fallrohr (Platzbedarf/Vereisungsgefahr) und damit ein höheres Risiko zur Folge gehabt.

Die Hauptfenster weisen vorstehende Fensterrahmungen auf. Dadurch konnte eine einfache Integration des Sonnenschutzes in Verbindung mit der Überdämmung der Fensterstöcke erfolgen. Die Bodenplatte wurde mit einer unterseitigen Dämmung in Form einer lastabtragenden Perimeterdämmung ausgeführt.

Bei einer Mischkonstuktion ist das Luftdichtkonzept besonders sorgfältig zu planen und auszuführen:

  • Es sind alle Fugen zwischen Holz- und Massivkonstruktionen inklusive aller Nebenwege luftdicht auszubilden.
  • Die Luftdichtmaterialien müssen für beide „Materialwelten“ geeignet sein.
  • Die Anschlüsse im Flachdachbereich sind besonders sorgfältig abzudichten.
  • Bei den Gebäudetrennwände sind Brandschutzanforderungen zu erfüllen.

Um die Klimaschutzziele in Deutschland im Sektor der privaten Haushalte einzuhalten, sind die spezifischen CO2-Emissionen, die heute im Mittel bei 64 kg je Quadratmeter Wohnfläche und Jahr liegen auf nur 12 kg/m²a im Jahr 2050 abzusenken. Wohnbauten dürfen im Jahr 2050 im Mittel nur noch 60 kWh/m²a an nicht erneuerbarer Primärenergie für Heizen, Warmwasser, Lüftung, Beleuchtung und Haushaltsgeräte beanspruchen. Dieser Grenzwert ist deutlich strenger, als der aktuell für Passivhäuser geforderte Kennwert von kleiner gleich 120 kWh/m²a. Nur anhand szenariogestützter Untersuchungen lässt sich beurteilen, ob ein heute realisiertes Passivhaus die Anforderungen an den Klimaschutz erfüllen kann oder nicht. Ausgehend vom gesamten Primärenergieverbrauch 2007 für Heizung, Warmwasser, Lüftung, Beleuchtung, Haushaltsgeräte und Gemeinschaftseinrichtungen von 87 kWhPE/m²a sinkt der Kennwert alleine dadurch ab, weil die Stromproduktion in den nächsten Jahrzehnten über Effizienzsteigerungen im Kraftwerkspark und den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien immer weniger fossiler Primärenergie je Endenergieeinheit Strom benötigt.

Aufgrund der langen Nutzungsdauern der baulichen und technischen Komponenten können technologische Verbesserungen erst auf einer mittel- oder langfristigen Perspektive greifen: Im Jahr 2030 würde der Klimaschutz-Kennwert unterschritten, weil nach Ablauf der Nutzungsdauer das Kompaktgerät ausgetauscht und neue effizientere Haushaltsgeräte angeschafft werden. Die hierbei zum Einsatz kommenden Wärmepumpenaggregate und Neugeräte sind deutlich effizienter, als die heute verfügbaren. Im Jahr 2050 könnten neue Passivhausfenster (UW = 0,4 – 0,5 W/m²K) eingebaut werden. Mit etwa 30 kWhPE/m²a im Jahr 2050 unterschreiten die Stadtreihenhäuser die Anforderungen des Klimaschutzstandards deutlich. Die spezifischen CO2-Emissionen liegen im Jahr 2007 bei 17 kg/m²Wfl*a und sinken aufgrund der oben beschriebenen Entwicklungen auf ca. 6,5 kg/m²Wfl*a im Jahr 2050 ab.

Als Versorgungslösung wurde ein Kompaktgerät mit integrierter Lüftungsanlage und Kleinstwärmepumpe gewählt. Durch die Aufstellung innerhalb der Hülle sind die Wärmespeicher- und -verteilverluste sehr gering. Es war kein weiterer Hausanschluss notwendig und es fallen keine zusätzlichen Heizablesekosten an. Das Versorgungskonzept wird um eine Solaranlage zur Brauchwassererwärmung und einen Erdreichwärmetauscher für jedes Haus ergänzt. Drei Baufamilien haben zusätzlich eine Photovoltaikanlage errichtet. Über das monatliche Ablesen der Stromzähler konnte der Endenergieverbrauch in den ersten zwei Heizperioden erfasst werden. Er betrug in der ersten Heizperiode (2006/2007) 26,9 kWh/m²a und in der zweiten Heizperiode (2007/2008) 29,3 kWh/m²a. Umgerechnet ergeben sich unter Berücksichtigung der Stromerträge der PV-Anlagen Gesamt-Primärenergie- Kennwerte von 75,3 kWh/m²a bzw. 83,1 kWh/m²a. Der höhere Verbrauch in der zweiten Heizperiode resultiert aus höheren gewünschten Raumtemperaturen. Sie liegen nun im Mittel zwischen 21 und 22°C.

Die Solaranlagen haben 2007 mit 11,9 kWh/m²a einen leicht höheren solaren Wärmebeitrag geliefert als im PHPP mit 11,0 kWh/m²a berechnet. Der Haushaltsstromverbrauch liegt mit 18,9 kWh/ m²a jedoch etwas höher, als im PHPP (17,6 kWh/m²a) angenommen. Über die Verbesserung der Stromeffizienz bei Beleuchtung und Haushaltsgeräten wären daher weitere (kostengünstige) Einsparpotentiale erschließbar.

Siehe auch Eintrag in Passivhausdatenbank